Besitz­stands­wah­rer geben sich als Weltenretter

Auf Seite 12 der Frank­fur­ter Allge­mei­nen Zeitung vom 23. August 2013 beschreibt Johan­nes Penne­kamp wie das EEG und die sogenannte “Energie­wende” zu einer riesi­gen Geldum­ver­tei­lungs­ma­schi­ne­rie gewor­den sind. 

Eine “große Koali­tion von Profi­teu­ren” – von Handwer­kern und Hausbe­sit­zern über Bauern, Kirchen, Kommu­nen und hundert­tau­sende Versi­cherte stünde einer Reform im Wege. Es gehe weniger um Ökolo­gie als um Besitzstandswahrung. 

Getra­gen von Millionen

lautet der Titel des sehr lesens­wer­ten Artikels, dessen Erwerb wir dringend empfehlen.

Hier einige Auszüge:

Der Wunsch nach Rendite hält die Energie­wende in Schwung. Durch ein weitver­zweig­tes System rinnt die Ökostrom­för­de­rung und landet auch da, wo man es nicht zuerst vermutet.

An Wind- und Solar­parks verdien­ten nicht nur die Inves­to­ren, die Anlagen­bauer und die Versi­che­rungs­kon­zerne. Auch Hundert­tau­sende Versi­cherte, seien – beispiels­weise durch ihre Unfall­ver­si­che­rung, ihre Riester­rente, eine Hochwas­ser­po­lice – mittel­bar involviert.

Allein Europas größter Versi­che­rer Allianz hatte im vergan­ge­nen Jahr im Bereich der erneu­er­ba­ren Energien 1,3 Milli­ar­den Euro inves­tiert (…). Die Munich Re, der größte Rückver­si­che­rer der Welt, plant diese Invest­ments auf der Welt bald auf 2,5 Milli­ar­den Euro zu verdoppeln.

Mit Herrn Manfred Kittel­mann, der als Managing Direc­tor der Renewa­ble Energy Capital Partners GmbH bezeich­net wird, stellt der Autor einen Akteur der “Öko”-Finanzbranche vor. Dessen Inter­esse an “Ökolo­gie” sei geschäft­li­chem Kalkül geschuldet:

Der Volks­wirt stieß auf die erneu­er­ba­ren Energien, denen damals noch etwas Exoti­sches anhaf­tete. (…) Da schlum­merte Poten­tial, erkannte Kittel­mann und stieg ein. Als er in den ersten Jahren zu den Branchen­tref­fen gefah­ren ist, war er einer der wenigen Anzug­trä­ger. “Heute können Sie da nicht mehr ohne Anzug hinge­hen”, sagt er.

Die Erwar­tun­gen seiner Großin­ves­to­ren skizziert Kittel­mann mit den Worten:

Eine angemes­sene Rendite, ein stabi­ler Cash-Flow, die Zusagen für die Kunden erfül­len. “Dass es eigent­lich darum geht, den Klima­wan­del einzu­gren­zen – was nicht kosten­neu­tral möglich sein wird -, ist leider aus dem Blick geraten.”

Als Volks­wirt, der zumin­dest einen losen Kontakt zu seiner Diszi­plin gehal­ten hat, müsste Herr Kittel­mann genau wissen, dass keines der von ihm verkauf­ten Anlage­pro­dukte irgend­ei­nen Einfluss auf den Klima­wan­del hat.  Bezeich­nen­der­weise hält er es für falsch, die EEG-Sätze zu kürzen:

Das steigere die Risiken für Inves­to­ren und erhöhe damit die Kosten der Energie­wende, anstatt sie zu reduzieren.

Diese für einen Volks­wirt, dem das volks­wirt­schaft­li­che Denken nicht völlig abhan­den gekom­men ist, schwer nachvoll­zieh­bare Position wird durch Herrn Penne­kamps Situa­ti­ons­be­schrei­bung verständlich:

In der kurzen Zeit von 15 Jahren, in denen Kittel­mann nun der Branche angehört, hat sich die mächtige Allianz derer gebil­det, die am Tropf der EEG-Förde­rung hängen. Bundes­um­welt­mi­nis­ter Peter Altmaier war bis heute der Letzte, der Wider­stand gegen die Lobby geprobt hat. Anfang des Jahres preschte der CDU- Mann mit seinem Vorschlag zur Strom­preis­bremse vor. Sogar in der Vergan­gen­heit zugesagte Förde­run­gen wollte er kürzen. Es dauerte wenige Tage, dann ruderte er zurück.

Es folgt die düstere Prognose:

Egal, welche Parteien am 22. Septem­ber gewin­nen – niemand wird an den Grund­fes­ten des EEG rütteln. Warum sollte etwa die FDP den Versi­che­run­gen, Fonds­ma­na­gern, Anwäl­ten und 450 000 Handwerks­be­trie­ben, die sich in ihren Verbands­bro­schü­ren als “Ausrüs­ter der Energie­wende” vermark­ten, einen Strich durch die Rechnung machen? Warum sollte die CDU es sich mit den Kommu­nen, die mehr Gewer­be­steu­ern kassie­ren, verscher­zen, warum mit Kirchen und Großgrund­be­sit­zern, die als Verpäch­ter von Windpark­flä­chen profi­tie­ren? Welches Inter­esse sollte die CSU in Bayern haben, ihren Besit­zern von rund 375 000 Solar­an­la­gen das Geschäft zu verder­ben. Und warum sollte das Bundes­land, dessen Bewoh­ner durch die EEG- Umver­tei­lung 1,2 Milli­ar­den Euro vom Rest der Republik kassie­ren, einer harten EEG-Novelle zustimmen?

Während Herr Kittel­mann als Manager einer Kapital­an­la­ge­ge­sell­schaft über das Profit­mo­tiv sein Herz für die „Erneu­er­ba­ren Energien“ entdeckt hat, wird Herr Johan­nes Lackmann als eine Art Gegen­fi­gur und Pionier der ersten Stunde dargestellt.

Johan­nes Lackmann, der umtrie­bige Geschäfts­füh­rer der Westfa­len­wind GmbH, hätte nicht gedacht, dass die Entwick­lung so schnell gehen würde – dass das einstige Ökopro­jekt in kurzer Zeit zum Milli­ar­den­ge­schäft wird. Lackmann, heute 62 Jahre alt, ist keiner aus der Welt des Geldes. Der sport­li­che Mann war einst in Brokdorf gegen die Atomkraft­werke auf die Barri­ka­den gegan­gen, dort wollten sie den Energie­markt “redemo­kra­ti­sie­ren”, den mächti­gen Atomkon­zer­nen etwas entgegensetzen.

(…)

Als Lobby­ist – Lackmann selbst benutzt lieber das Wort “Politik­be­ra­ter” – hat der Windkraft­pio­nier in dieser Zeit aus nächs­ter Nähe miter­lebt, wie die milli­ar­den­spu­ckende Förder­ma­schine geschaf­fen wurde, wie sie sich in Gang gesetzt hat. Und wie sie schließ­lich nicht mehr aufzu­hal­ten war.

Als Vorsit­zen­der des Bundes­ver­bands Erneu­er­bare Energien (BEE) trat Lackmann vor sechs Jahren zurück.

Lackmann fand, er habe seine Aufgabe als Türöff­ner erledigt – und er vermisste in der Branche die Bereit­schaft, sich jetzt für sinkende Förder­sätze stark­zu­ma­chen, die die Innova­ti­ons­an­reize hoch halten – so wie, es geplant war. “Es ging mehr und mehr um Besitz­stands­wah­rung”, bemän­gelt er.

Wenn er an Leute denke, die einfach abkas­sie­ren und im dicken Wagen vorfah­ren, werde ihm schlecht, ist von Herrn Lackmann zu lesen. Gewis­ser­ma­ßen als Beispiel für diese Klien­tel wird Freiherr Otto Grote aus dem südnie­der­säch­si­schen Jühnde portraitiert:

Otto Grote empfängt standes­ge­mäß. Der stuck­ver­zierte Raum ist mit Holz vertä­felt, das Wappen über dem Kamin­sims zeigt ein stolzes Pferd. (…) Eine Anhöhe am Ortsrand hat er schon lange als Stand­ort für einen Windpark im Auge. Vor einem Jahrzehnt hätte es beinahe mit dem Bau geklappt, doch damals machte ihm die Lokal­po­li­tik einen Strich durch die Rechnung. “Dieses Mal sieht es besser aus”, sagt Grote, der Windrä­der als ästhe­tisch empfindet.

Die Ansätze zur Selbst­kri­tik schei­nen auch bei Herrn Lackmann nicht die Freude über den gemein­wohl- und natur­schäd­li­chen Subven­ti­ons­strom zu trüben:

Johan­nes Lackmann steht auf der Anhöhe nahe Pader­born. Tausend Windrä­der sehe man am Horizont, schätzt Lackmann. Im Großen und Ganzen sei die Energie­wende ein riesi­ger Erfolg, die Redemo­kra­ti­sie­rung des Energie­mark­tes sei voran­ge­kom­men. (…) Die Geschäfte laufen gut. “Ich habe nie behaup­tet, dass Grüne kein Geld verdie­nen dürfen”, sagt er. Jede Umdre­hung eines Rotor­blat­tes spült ein paar Cent in der Tasche eines Inves­tors – Ceeent, Ceeent, Ceeent.


VERNUNFTKRAFT. dazu:

Die Situa­ti­ons­be­schrei­bung von Herrn Penne­kamp trifft vollstän­dig zu. Das EEG ist ein Instru­ment der  unsozia­len Umver­tei­lung gewor­den, dass es immer mehr Leuten ermög­licht, sich aus den Taschen der Allge­mein­heit zu bedie­nen. Die Koali­tion aus einer Million Profi­teu­ren berei­chert sich letzt­lich an 80 Millio­nen Deutschen, die dieses Spiel zwangs­weise mitspie­len müssen.

Was jedoch leider nicht thema­ti­siert wird, ist die Tatsa­che, dass der Zugang zum Geld anderer Leute über die Zerstö­rung von Natur, die Gesund­heit der Menschen, die Tötung von Tieren, die Dezimie­rung der Arten­viel­falt und den Raub von Heimat führt.

Statt “Getra­gen von Millio­nen” müsste es richtig heißen:

Ertra­gen von zig Millio­nen und der Natur

Wir ertra­gen dieses Spiel nicht mehr.

Deshalb setzen wir uns mit aller Kraft dafür ein, Herrn Penne­kamps Prophe­zei­ung zu widerlegen.

Die Koali­tion der Profi­teure gehört entmach­tet. Auch wenn sie groß ist, ist diese Koali­tion doch eine winzige Minder­heit. Sie weiter gewäh­ren zu lassen, ist extrem unvernünftig.


NACHTRAG vom 25.9.2013: Unter dem Titel “Die Ökostrom­lob­by­is­ten” ist der Artikel nun online zu lesen.

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