Eine subjektive Kurzreportage von Uwe Anhäuser
Von Tag zu Tag wird deutlicher, wie weitreichend und tiefgreifend der rabiate Ausbau der großindustriellen Windkraftnutzung die Gesellschaft zu spalten beginnt. Ein kurzes, doch durchaus charakteristisches Lehrstück dafür ereignete sich am 19. Mai 2013 am prächtig angelegten Freizeitvergnügen-Stausee beim saarländischen Losheim.
Die Vorgeschichte
Trotz einer Protestaktion von rund 150 Einwohnern aus Greimerath (Rheinland-Pfalz) hält die saarländische Gemeinde Losheim an einem Windpark auf dem Kamm des Judenkopfs fest, unmittelbar an der Grenze zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz. Mit nur einer Gegenstimme entschied der Losheimer Gemeinderat sich für dieses Projekt. Aus Sicht der Greimerather wurde aber die rheinland-pfälzische Seite nicht ausreichend berücksichtigt, zumal der Abstand zum nächsten Wohnhaus in ihrer Gemeinde lediglich 1,8 Kilometer beträgt. Von Losheim aus werden die Windräder nur in einer Entfernung von rund acht Kilometern zu sehen sein, doch im idyllischen Greimerath werden sie den Horizont absolut dominieren.
Auf dem saarländischen Teil des Judenkopfs wollen die Technischen Werke Losheim (TWL), die Vereinigte Saar Elektrizitäts (VSE) AG und die Familie des Unternehmers Wendelin von Boch (Villeroy & Boch) bis Ende 2013 insgesamt fünf weiße Riesen aufstellen. Trotz der Entscheidung des Losheimer Rats wollen die Greimerather weiter gegen diesen Windpark kämpfen. Bernhard Schmitt als Sprecher der Bürgerinitiative „Pro Natur Hochwald e.V.“ sieht bei den vorgelegten Fachgutachten erhebliche Mängel. Er erwähnte zwölf verschiedene Fledermausarten und weitere artgeschützte Tiere, wie Schwarzstorch und Rotmilan.
Doch bereits am Morgen nach der Abstimmung des Losheimer Gemeinderats begannen Ende Februar 2013 die umfangreichen Rodungsarbeiten auf dem Judenkopf.
Der Anlass
Am Pfingstsonntag 2013 führte der vierte saarländische Wandermarathon über 30 Kilometer von Orscholz/Mettlach zum Losheimer Stausee am Hunsrücker Hochwaldrand. Die BI „Pro Natur Hochwald e.V.“ und die BI „Windwahn Sitzerath“ aus dem gleichnamigen Nachbarort beschlossen, dort demonstrativ präsent zu sein. Zumal es sich diesmal auch um die vom Bundesumweltministerium geförderte Auftaktveranstaltung zu den bis Juli 2013 andauernden „Wanderaktionen zum Schutz der biologischen Vielfalt“ handelte.
Die Aktion
Schon eine Dreiviertelstunde vor der zentralen Wandertagskundgebung fanden sich die Greimerather und Sitzerather mit rund 50 Personen am Veranstaltungsort ein. Durch viele Transparente, Plakate und bunte Luftballons zogen sie enorme Aufmerksamkeit auf sich. Nur ein typisch saarländischer Nörgler mokierte sich am Rand des Geschehens: „Geh’ fort – die kommen doch alle aus der Stadt. Die haben hier gar nix zu suchen.“
Als die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erschien, musste sie sich wohl oder übel einem Dialog mit den Protestlern stellen. Selbstverständlich wies sie auf das Votum des Losheimer Gemeinderats als dessen demokratisch legitimierte Entscheidung hin. Und der aus dem nahen Sankt Wendel stammende Umweltminister Peter Altmaier (CDU), der wenig später auftauchte, wurde nicht müde zu beteuern, dass er und sein Ministerium nicht den geringsten Einfluss auf die jeweiligen Entscheidungsbehörden und Verwaltungsorgane ausüben könnten.
Bürgermeister Werner Angsten (CDU), der die zu seiner Verbandsgemeinde Kell am See gehörenden Ortschaften Greimerath und Sitzerath bei dieser Protestaktion aktiv unterstützte, sah sich mit zwei prominenten Angehörigen seiner eigenen Partei konfrontiert, deren vage Argumentationen ausschließlich darauf abzielten, den zwar gesittet auftretenden, doch eben unbotmäßigen Demonstranten das vermeintliche Einmaleins der Demokratie auf einem schieren Kindergartenniveau vermitteln zu wollen.
Die Pressemitteilung
Bei der Auftaktveranstaltung zu den Wanderaktionen zum Schutz der biologischen Vielfalt bezeichnete Bundesumweltminister Peter Altmaier den Erhalt der biologischen Vielfalt als umfassende Aufgabe. Es sei eine große Aufgabe den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und das nationale Naturerbe zu erhalten. Als positives Beispiel nannte Peter Altmaier das vom Bundesprogramm biologische Vielfalt geförderte Schutzprojekt des saarländischen NABU zur Erhaltung des Breitblättrigen Knabenkrauts, einer seltenen Orchideenart.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und die Landesumweltministerin Anke Rehlinger warben für die vielen ausgezeichneten Wanderwege im Saarland. Wanderer profitieren von einer intakten Natur und hätten damit das gleiche Grundanliegen wie der Naturschutz.
Nachbemerkung
In der am Pfingstsonntagabend ausgestrahlten Landesnachrichtensendung des Saarländischen Rundfunks wurde Peter Altmaier kurz inmitten der Demonstranten mit ihren Transparenten gezeigt. Eine Sprecherstimme erläuterte aus dem “Off”, beim vierten saarländischen Wandermarathon hätten sich auch “ein paar Windkraftgegner” gezeigt. Das war’s…
Allerdings muss es für die Teilnehmer der Podiumsdiskussion ein bizarr anmutendes Erlebnis gewesen sein, vor diesem Publikum, das sich fast ausschließlich aus Demonstranten zusammensetzte, über das Breitblättrige Knabenkraut und die richtigen Bewegunsabläufe beim Nordic Walking zu philosophieren. Das war schon absurdes Theater par excellence. Auf der Bühne wird in autistisch anmutenden Endlosschleifen über etwas geredet, was mit dem Publikum nicht das Geringste zu tun hat. Man diskutierte über im Wald fallengelassene Tempo-Taschentücher und deren Zersetzungsprozesse, während die Zuschauer, wenn es nach dem Willen der anwesenden Politiker geht, bald mit 200 Meter hohen großtechnischen, natur- und landschaftszerstörenden Industrieanlagen leben müssen, oder dies bereits tun.
Im Übrigen: Es waren nicht “ein paar” versprengte Windkraftgegner.
Es waren 150 Vernunftkraft-Befürworter, die sich am Losheimer Stausee versammelt hatten.
Menschen, die es nicht zulassen, dass die Natur und ihre Heimat einem völlig verfehlten Subventionssystem geopfert werden.
Diese Menschen werden immer mehr.
Sie zu ignorieren, wird immer schwieriger.
Denn sie sind die VERNUNFTKRAFT.