Mit dem Titel
„Der Energiewende droht das Geld auszugehen“
beschreibt Thomas Vitzthum in der WELT die Auswirkungen des gefallenen Preises für CO2-Zertifikate auf die Einnahmeseite des Energie- und Klimafonds (EKF) der Bundesregierung.
Der Preis für CO2-Zertifikate bildet sich durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage innerhalb des europäischen Emissionshandelssystems (ETS).
Die Verknüpfung des Finanzierungsinstruments „Energie- und Klimafonds“ mit dem europäischen Emissionshandelssystems ist ein Beispiel dafür, dass
- “sich Energiepolitik nach kurzfristigen Moden und politischen Opportunitäten richtet” und
- “es an Kohärenz mangelt und sachfremde Aspekte ausgeblendet werden sollten”
wie in unserem Positionspapier auf den Seiten 2 bzw. 15ff. behauptet.
Warum?
Das seit 2005 bestehende Europäische Emissionshandelssystem ist als marktwirtschaftliches Instrument zur Reduktion von Treibhausgasen konzipiert.
Es legt die Gesamtemissionen für alle EU Staaten insgesamt verbindlich fest – alle potentiellen Emittenten der großen, energetisch relevanten Industriezweige müssen innerhalb dieses gedeckelten Kontingents Emissionsrechte (“Zertifikate”) erwerben.
In Deutschland betrifft dies ca. 1850 Unternehmen, die rund 60% des deutschen CO2 ‑Ausstoßes ausmachen.
Nicht erfasst sind die privaten Haushalte, Kleinemittenten und der Transportsektor. Energiererzeugungsunternehmen sind jedoch vollständig erfasst. Für jedes emittierte Gramm CO2 müssen diese Unternehmen ein entsprechendes Zertifikat nachweisen.
Diese Zertifikate werden an Börsen oder zwischen den Anlagenbetreibern frei gehandelt, wobei das Kontingent sukzessive – gemäß eines vorab festgelegten Pfades – verkleinert wird. Dieses System stellt im Prinzip sicher, dass das CO2 – Reduktionsziel eingehalten wird und Emissionen an den Stellen eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist. Und mit den Techologien, dies am kostengünstigen leisten können.
Die Grenzkosten der Emissionsvermeidung – was kostet die Vermeidung eines zusätzlichen Gramms – sind schließlich nicht überall gleich sondern zwischen Sektoren und Regionen ganz unterschiedlich. Über den Handel mit Lizenzen ist sichergestellt, dass für eine gebenes Niveau an Kosten die größtmögliche Einsparung erfolgt – bzw. dass eine gegebene Einsparung zu den geringstmöglichen Kosten erfolgt. Das ETS sorgt also für Kosteneffizienz.
Im Prinzip eine sehr vernünftige Idee, die von nahezu allen Ökonomen gepriesen wird.
Man kann an der praktischen Ausgestaltung des Systems Kritik üben.
Beispielsweise an der Art der Erstausstattung mit Zertifikaten.
Auch daran, dass nicht alle Sektoren erfasst sind und insbesondere der Verkehrssektor außen vor bleibt.
Vor allem jedoch daran, dass das System auf die EU beschränkt ist und nicht weltweit gilt.
Dies birgt das große Problem, dass insbesondere energieintensiven Unternehmen Standortnachteile gegenüber Wettbewerbern aus Drittländern drohen – welche wiederum Ausnahmeregelungen erforderlich machen. Andernfalls droht die Verlagerung von Emissionen in andere Erdteile („carbon leakage“). Bei der Produktion energieintensiver erzeugter Produkte sind die Energiepreise definitionsgemäß der entscheidende Standort- und Wettbewerbsfaktor. Insbesondere die relativenPreise (wie teuer ist Energie in Deutschland relativ zu beispielsweise den USA oder China) sind entscheidend. Einseitige Kostensteigerungen bergen somit die Gefahr, dass “die Schraube überdreht” und energieintensive Produktion wirtschaftlich unmöglich gemacht wird. Dann ist zwar die Produktion in Deutschland und Europa CO2-ärmer. Die energieintensiven Erzeugnisse werden jedoch trotzdem benötigt, auch wenn sie nicht mehr in Deutschland produziert werden können. Im Ergebnis wird dann die gleiche Menge von bspw. Stahl aus anderen Ländern ‑bspw. China oder USA – importiert. Dabei ist davon auszugehen, dass bei der Produktion mehr CO2 freigesetzt wird als in Deutschland – vom Transport ganz abgesehen. Insofern sind einseitige Schritte, die auf eine einseitige Kostenbelastung der europäischen Industrie hinauslaufen, nicht unproblematisch und nicht zwangsläufig gut für den Klimaschutz.
Abgesehen von all diesen möglichen Kritikpunkte…
…ist jedoch festzustellen, dass die Emissionen in den vom ETS erfassten Bereichen zurückgegangen sind.
Die Emissionen entsprechen der Menge an Zertifikaten.
Diese ist politisch festgelegt.
Innerhalb der ihm seitens der Politik auferlegten Schranken funktioniert der Emissionshandel einwandfrei.
Dabei entzieht sich der Zertifkatepreis definitionsgemäß der politischen Steuerung.
Er ergibt sich anhand von Angebot und Nachfrage.
Würde man den Preis beliebig und ad hoc manipulieren, wäre das Grundprinzip eines marktwirtschaftlichen Instruments ad absurdum geführt. Entweder man legt die Menge fest, und lässt den Preis frei schwanken. Oder man legt die Preise fest, und lässt die Menge frei schwanken. Ansonsten betreibt man Planwirtschaft. Der Emissionshandel entspricht dem ersten Prinzip.
Aufgrund eines geringer als erwartet ausfallenden Zertifikatepreises von einer mangelnden Funktionsfähigkeit des Systems zu sprechen, ist jedenfalls nicht sachgerecht.
Hauptgrund dafür, dass der Preis der Zertifikate gegenwärtig nicht den Wert hat, den die Politik erwartet hatte, ist die geringe wirtschaftliche Aktivität in den Jahren 2008-10. In der Folge der Wirtschaftskrise gab es weniger Nachfrage nach Emissionsrechten. Ein weiterer Grund ist die subventionierte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Diese ist mit dem Emissionshandelssystem nicht kohärent, denn sie führt zwangsläufig dazu, dass das Prinzip der Kosteneffizienz verletzt wird. Anders aus gedrückt: dass Ressourcen verschwendet werden.
Was auch immer die Ursache – der Zertifikatepreis ist kein geeigneter Indikator für die Funktionsfähigkeit des Systems.
Die Forderungen nach Eingriffen in das an sich funktionierende System sind jedoch verständlich, wenn man bedenkt, dass Regierungen, insbesondere die deutsche, die Erlöse aus dem Verkauf von Zertifikaten bereits anderweitig verplant haben.
In Deutschland nämlich für den Energie- und Klimafonds (EKF).
Aus dem EKF werden unter anderem wichtige Forschungsprojekte und auch andere – volkswirtschaftlich vielleicht auch weniger wichtige – Aktivitäten finanziert.
Diejenigen, die sich beispielsweise durch Gebäudedämmung etc. Aufträge versprechen, sehen die infolge des „zu“ geringen Zertifikatepreises nun die Finanzierungsgrundlage gefährdet.
Nachvollziehbar, dass dies Nervosität und den Ruf nach Eingriff in ein davon völlig unabhängiges –an sich intaktes– System befördert.
Hier drohen nicht sachgerechte Verknüpfungen zu volkswirtschaftlich schlechten Ergebnissen zu führen.
Gemäß Leitlinie fünf unseres Positionspapiers wäre zu fordern:
- Der Energie- und Klimafonds ist vom Emissionshandel zu trennen.
- Ersterer muss der Finanzierung von volkswirtschaftlich wünschenswerten Investitionen dienen.
- Letztere muss der Reduktion von Emissionen dienen.
- Soweit der Emissionshandel keine Defekte hat – wofür es abgesehen von der Tatsache, dass er nicht alle Sektoren erfasst und nicht weltweit angewendet wird, keinen Beleg gibt – gibt es dort auch keinen Interventionsbedarf.
- Die Finanzierung volkswirtschaftlich sinnvoller Investitionen, wie beispielsweise Forschungsvorhaben zur Steigerung der Energieeffizienz, darf nicht willkürlich nach Kassenlage erfolgen, sondern muss aus verlässlicher Basis aus dem Bundeshaushalt bestritten werden.
- Generell sind die Ausgabevorhaben im Rahmen des EKF zunächst auf volkswirtschaftliche Wünschbarkeit zu prüfen – bei der Wärmedämmung sind Zweifel berechtigt – bevor man sich über die Einnahmesituation Gedanken macht.
Jetzt ist das Gegenteil der Fall.
Das Finanzierungsinstrument EKF hat viele Begehrlichkeiten geweckt, die nun –aufgrund der unsachgerechten Verknüpfung der Einnahmeseite mit dem ETS– enttäuscht zu werden drohen.
Anstatt zunächst die Begehrlichkeiten auf Berechtigung und dann die Möglichkeit einer soliden Finanzierung zu prüfen, wird nun ein an sich funktionierendes System zum Sündenbock gemacht.
Als Konsequenz droht, dass einerseits auch unsinnige Projekte weiterfinanziert und Partikularinteressen bedient werden und andererseits einem innerhalb der Zielsetzung funktionsfähigem Instrument die Akzeptanz geraubt wird.
Jan Tinbergen (erster Nobelpreisträger der Ökonomie) hätte es besser gewusst. Jedes wirtschaftspolitische Ziel (Emissionsreduzierung / Finanzierung von Forschungsvorhabn, Gebäudedämmung) braucht ein eigenes Instrument (ETS / EKF). Sonst kommt Murx dabei raus.
Siehe dazu S. 15f. unseres Positionspapiers sowie den Aufsatz von Professor Weiman in den energiewirtschaftlichen Tagesfragen aus dem Dezember 2012 .