Hinse­hen hilft

Am 19. Januar 2022 ist u.a. in der WELT davon zu lesen, dass die Bundes­re­gie­rung nicht wisse, in welchem Umfang Strom aus welchen Quellen impor­tiert wird.

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Konkret heißt es, den Frage­stel­lern sei beschie­den worden, dass es aufgrund der Komple­xi­tät des europäi­schen Verbund­net­zes unmög­lich sei, die Erzeu­gungs­ar­ten des impor­tier­ten Stroms, den deutsche Endver­brau­cher bezie­hen, aufzu­schlüs­seln. Hinsicht­lich der Frage, inwie­weit die politisch unerwünsch­ten Quellen Kernener­gie und Stein­kohle beim Import eine Rolle spielen, wurde der Wissen­durst somit als unlösch­bar bezeich­net. Herr Klaus Bartsch (MdB), Frakti­ons­vor­sit­zen­der der Linken, empfand dies offen­bar als unbefrie­di­gend und kommen­tierte mit den Worten:

Es kann nicht sein, dass jeder Strom­an­bie­ter in der Lage ist, seinen Strom­mix trans­pa­rent zu machen, aber die Bundes­re­gie­rung nicht weiß, welcher Strom nach Deutsch­land impor­tiert wird. Es wäre Klima­heu­che­lei, wenn wir in Deutsch­land aus Atom und Kohle ausstei­gen und dann weiter, z.B. aus Frank­reich oder Polen, Atom- und Kohlestrom importieren.

Klaus Bartsch, Frakti­ons­vor­sit­zen­der die LINKE

Im Sinne unseres Bildungs­auf­trags möchten wir die Ergeb­nisse einer kleinen Auswer­tung präsen­tie­ren – und damit zu einer fakten­ba­sier­ten Energie‑, Umwelt‑, und Klima­po­li­tik beitragen. 

Die gute Nachricht: Es ist durch­aus möglich, mittels frei verfüg­ba­rer Daten die quanti­ta­tive Bedeu­tung verschie­de­ner Energie­trä­ger für die deutschen Strom­im­porte anzuge­ben. Für Deutsch­land und alle neun Anrai­ner­staa­ten ist die jewei­lige Strom­erzeu­gung nach Energie­trä­gern auf Stunden­ba­sis verfüg­bar. Ebenfalls sind für alle diese Länder die jewei­li­gen Export­men­gen und deren Ziele auf Stunden­ba­sis ermit­tel­bar. Mit einfa­cher Algebra lässt sich somit ein recht präzi­ses Abbild der Import-Export-Bezie­hun­gen zwischen Deutsch­land und seinen Anrai­nern erstellen.

Für das vierte Quartal sei dies veranschaulicht: 

Export-Import-Gesche­hen nach Energie­trä­gern, Q4 2021.

Für das Gesamt­jahr 2021 ergibt sich diese Bilanz:

Strom-Exporte von/-Importe nach Deutsch­land nach Erzeu­gungs­ar­ten, 2021.

Mithin wurde im Jahr 2021 Elektro­en­er­gie im Umfang von 14.090 GWh (1 GWh = 1 Million kWh) nach Deutsch­land impor­tiert, die aus Kernkraft­wer­ken im Ausland (meist Frank­reich) stammte. Im Mittel arbei­tete also etwa eines der 56 franzö­si­schen Kernkraft­werke nur für den Export nach Deutsch­land. Im Gegen­zug gingen aus der Erzeu­gung der sechs deutschen Kernkraft­werke 7.720 GWh ins Ausland. Die Gesamt­strom­menge aus den sechs (nunmehr nur noch drei)  deutschen Kernkraft­wer­ken betrug 65.440 GWh. Aus auslän­di­schen Kohle­kraft­wer­ken wurden 9.000 GWh impor­tiert, der deutsche Export aus Kohle­kraft­wer­ken betrug 24.200 GWh. Über das ganze Jahr und alle Erzeu­gungs­ar­ten hinweg hat Deutsch­land gut 39,4 TWh impor­tiert und 70 TWh exportiert.

Diese reine Mengen­be­trach­tung über das Jahr hinweg lässt aller­dings keine sinnvol­len Rückschlüsse auf die Abhän­gig­keit vom Ausland zu. Ein “Export­über­schuss” ist völlig unerheb­lich, da Strom stets im Augen­blick des Verbrauchs ins Netz einge­speist werden muss. Häufig überflüs­si­gen Strom in rauen Mengen expor­tie­ren zu können, bringt kaum Vorteile. Zwingend auf zuver­läs­sige Liefe­run­gen angewie­sen zu sein, bringt indes große Nachteile. Eine Ahnung von der Abhän­gig­keit bekommt man, wenn man die expor­tier­ten und impor­tier­ten Mengen mit den Preisen multi­pli­ziert, zu denen sie gehan­delt wurden. Aufgrund der “Komple­xi­tät des Strom­ver­bund­sys­tems” ist dies nicht ganz einfach, aber näherungs­weise ebenfalls möglich. Für Deutsch­land ergibt sich für die letzten beiden Jahre dieses Bild:

Preise für expor­tier­ten und impor­tier­ten Strom, Monatsmittelwerte.

 

In jedem der 24 Monate war der Strom Im- und Export für Deutsch­land ein Verlustgeschäft. 

 

Die Methode des genauen Hinse­hens (MdgH) liefert manch­mal erstaun­li­che Ergebnisse.

 

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