Im Rahmen der Abschlussveranstaltung zum IHK-Jahresthema 2012 „Energie und Rohstoffe für Morgen“ zog der deutsche Industrie- und Handelskammertag heute eine
Zwischenbilanz zur Energiewende in Deutschland
Mehrere hundert Vertreter mittelständischer Unternehmen aus dem ganzen Bundesgebiet sowie Repräsentanten der Industrie- und Handelskammern aus allen Regionen des Landes nahmen an der Veranstaltung teil. Unter den zahlreichen Gästen war auch VERNUNFTKRAFT. vertreten.
Das Programm finden Sie hier.
Zunächst stellte DIHK-Präsident Prof. Dr. Hans-Heinrich Driftmann die Ergebnisse des IHK-Energiewendebarometers vor, für den die IHKs im Herbst rund 2.300 Unternehmen sowie zahlreiche Energieexperten der Kammerorganisation befragt hatten.
Unterm Strich überwiegen bei den mitteständischen Unternehmen demnach Skepsis und Sorge.
Aus dieser Sorge um die Sicherheit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung heraus, beschäftige sich jeder dritte Betrieb konkret damit, erneuerbare oder konventionelle Energie selbst zu erzeugen, berichtete Driftmann. “Nicht zuletzt vor dem Hintergrund wachsender Zweifel an der Versorgungssicherheit nimmt dieser Trend in allen Branchen zu”, sagte er. “Und selbst jedes fünfte Kleinunternehmen erwägt, seinen Strom zumindest teilweise selbst zu produzieren.”
Insgesamt blickten die deutschen Unternehmen “derzeit sehr skeptisch auf die Energiewende”, so der DIHK-Präsident. “Chancen wie die Erschließung neuer Absatzmärkte wiegen Sorgen um Preisanstieg und Versorgungssicherheit nicht auf.”
Insbesondere Industrie und Handel sähen sich durch hohe Strompreise immer stärker belastet, kritisierte Driftmann. Er mahnte, die Energiewende könne nur dann “ein Erfolg und ein möglicher Exportschlager made in Germany” werden, wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit vor allem des Mittelstandes nicht weiter beeinträchtige.
Der DIHK-Präsident sprach sich daher eindringlich für mehr Marktwirtschaft in der Stromversorgung, für eine Abkehr von den markfernen Regelungen des Erneuerbare Energien Gesetzes sowie für mehr Planungssicherheit aus.
Anschließend ordnete der Energiekommissar der europäischen Kommission, Günther Oettinger, die deutsche Energiepolitik in den europäischen und weltweiten Zusammenhang ein.
Herr Oettinger stellte zunächst klar, dass der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie auf europäischer Ebene als nachvollziehbar angesehen wird, dieser aber das europäische Gesamtbild nicht wesentlich beeinträchtigt: Demnach nutzen 14 von 27 EU-Staaten die Kernenergie; wenn Deutschland ausgestiegen sein werde, werde Polen eingestiegen sein.
Anschließend legte Herr Oettinger anschaulich dar, dass die von Deutschland proklamierten Energiewende-Ziele nur unter Nutzung des gemeinsamen europäischen Energiebinnenmarktes erreichbar sind.
Ein verantwortungsvolles Handeln, dass die Kosten nicht völlig ignoriert, verlange demnach nach einem europäisch abgestimmten Vorgehen bei der Förderung erneuerbarer Energien – sodass Strom aus Sonne und Wind vorwiegend an dafür geeigneten südeuropäischen bzw. küstennahen Standorten erzeugt werde.
An der aktuellen deutschen Politik, die einen völlig unkontrollierten und unsachgemäßen Kapazitätsaufbau befördere, ließ Herr Oettinger kein gutes Haar.
Der eingeschlagene Weg, auf dem sich die einzelnen Bundesländer in Sachen Kapazitätsaufbau noch gegenseitig überholen wollten, führe in die 16-fache Autarkie.
An der Tatsache, dass Windkraftanlagen in Deutschland nur an rund 2000 und PV-Anlagen nur an rund 800 Stunden eines 8760 Stunden währenden Jahres Strom erzeugen, könne auch noch so großer Eifer nichts ändern.
Dieser rasante durch das EEG und Partikularinteressen beförderte Kapazitätsaufbau müsse dringend gebremst werden, andernfalls seien weitere Explosionen des Strompreises vorprogrammiert. Bereits heute hätte die deutsche Industrie im europäischen Vergleich nach Dänemark die höchsten Strompreise zu verkraften. Anders als noch vor Jahrzehnten, sei der Strompreis für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie mittlerweile über alle Branchen hinweg eine ganz entscheidende Größe. Die in Reaktion auf hohe Arbeitskosten erfolgte Automatisierung und damit Elektrifizierung der industriellen Fertigung lasse dem Strompreis gerade in Deutschland ein hohe Bedeutung zukommen.
Insofern sei es für den Erhalt Deutschlands als Industriestandort fundamental wichtig, jetzt die Weichen richtig zu stellen und den sinnlosen und kostentreibenden Kapazitätsaufbau in vernünftige ( = europäische) Bahnen zu lenken.
Herr Oettinger verglich die gegenwärtige Situation mit anderen Wirtschaftsbereichen.
„Was hier passiert, ist dasselbe als würden wir Investoren Geld dafür geben, dass sie im tiefsten bayerischen Wald einen Schlachthof errichten und betreiben. Allerdings einen Schlachthof ohne Kühlhaus und ohne Straßen, über die die fertigen Kottelets abtransportiert werden können.“
Es sei nicht länger hinnehmbar, dass in rasantem Tempo Erzeugungskapazitäten für nicht verwendungsfähigen Strom aufgebaut werden. Ein weitere Kapazitätsaufbau müsse an das Vorhandensein von Speichermöglichkeiten und Netzen geknüpft werden.
Netze müssten dabei nicht nur im Sinne der nationalen Autarkie von Nord- nach Süddeutschland neu gebaut werden. Zuvorderst müssten die Kuppelstellen zwischen Ländergrenzen (Interkonnektoren) verstärkt werden, um den Stromtransport innerhalb Europas zu erleichtern.
In Vertretung des Bundesumweltministers zog die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Katherina Reiche eine Zwischenbilanz zur Energiewende aus Sicht der Bundesregierung.
Sie sah die Energiewende grundsätzlich auf gutem Kurs – um die Versorgungssicherheit und Netzstabilität sei es dank verschiedener jüngster Maßnahmen und Beschlüsse gut bestellt. Frau Reiche konzedierte jedoch großen Handlungsbedarf, was den ungesteuerten Kapazitätsaufbau bei den erneuerbaren Energien betrifft.
Der bisher erreichte Zubau an Erzeugungskapazität sei beeindruckend, es ginge nun aber darum, die Quantität durch Qualität zu ersetzen. Die Ausbaupläne der Bundesländer seien mit den Zielen der Bundesregierung gegenwärtig nicht kompatibel; die Summe aus 16 Energiewenden auf Länderebene überträfe bei Weitem das, was aus Bundesperspektive an Kapazitäten nötig und sinnvoll ist.
In der späteren Podiumsdiskussion
Teilnehmer:
- Evelin Lemke, rheinland-pfälzische Ministerin für Wirtschaft, Klima und Energie
- Stephan Kohler, DENA (deutsche Agentur für Energieeffizienz)
- Matthias Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung, RWE Technology GmbH
- Dr. Dirk Spenner, geschäftsf. Gesellschafter, Spenner Zement GmbH & Co.KG
- Moderation: Thomas Kramer, ZDF, Hauptredaktion Kultur und Wissenschaft
kristallisierte sich die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes mit dem Ziel einer Erhöhung der Kosteneffizienz und einer Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Prinzipien als Quasi-Konsens heraus.
Der von Herrn Kommissar Oettinger und Frau PSt Reiche thematisierte
rasante und von Marktgesetzen völlig entkoppelte Aufbau von Erzeugungskapazitäten für sogenannten „Ökostrom“ wurde – wegen seiner Wirkung auf Stromkosten und Netzstabilität – von fast allen Diskussionsteilnehmern und Intervenierenden aus dem Publikum als ernstes, dringend zu lösendes Problem gesehen.
Einzig Frau Ministerin Lemke zeigte sich von der Strompreisentwicklung, den Sorgen der mittelständischen Unternehmen und den Appellen für ein bedachteres und bedächtigeres, marktnäheres Vorgehen bei der „Energiewende“ weitgehend unbeeindruckt.
Ihr Ziel sei, Rheinland-Pfalz unabhängig zu machen. Dazu wolle sie auf den Kämmen von Pfälzerwald und Hunsrück Windkraftanlagen ansiedeln und Seen zu Pumpspeichern umbauen.
Die Energieversorgung müsse sich vor allem am Klimaschutz orientieren – die Industrie würde sich, dann dort ansiedeln, wo der Strom vorhanden sei. Das zeige die Wirtschaftsgeschichte.
Von den Tatsachen,
- dass Rheinland-Pfalz weniger als 0,2 % zu den globalen CO2-Emissionen beiträgt und
- dass Windkraftanlagen im Hunsrück und Pfälzerwald auf die globalen Emissionen und damit den Klimawandel keinen (in Zahlen: 0) Einfluss haben (warum lesen Sie hier)
ließ sich die Ministerin nicht blenden.