Programm
Unser Programm gründet sich auf die Expertise des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und des wissenschaftlichen Beirats am Bundeswirtschaftsministerium.
In seinen letzten beiden Jahresgutachten zeigt der Sachverständigenrat nicht nur die eklatanten Defizite des gegenwärtigen Subventionsregimes, sondern auch zielführende Alternativen dazu auf.
Zu im Kern sehr ähnlichen Empfehlungen gelangt die Akademie für Technikwissenschaften, die in der Projektgruppe “Energiewende finanzierbar gestalten” eine bemerkenswerte Kombination aus wirtschafts‑, umwelt- und ingenieurwissenschaftlicher Expertise vereint hat. Hier zogen u.a. Mitglieder des Sachverständigenrates und des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung an einem Strang. Am 13. September 2012 stellten sie ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit vor.
Einen Ausweg aus der gegenwärtigen energiepolitischen Misere, bei der Mensch und Natur aus dem Blickfeld geraten sind, braucht man also gar nicht lange suchen.
Im Prinzip muss man einfach nur machen!
Und zwar:
1. Energieeffizienz stärker ins Blickfeld nehmen.
Es gibt keine “grüne” oder “saubere” Energie. Jede Form der Energieerzeugung birgt ökologische Probleme.
Die einzig wirklich umweltfreundliche Energie ist die, die eingespart wird.
Außerdem: Je geringer der Energiebedarf einer Volkswirtschaft, desto leichter ist es, einen bestimmten Anteil dieses Bedarfs aus regenerativen Quellen zu decken.
Gegenwärtig liegt Deutschland beim Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung europaweit im Mittelfeld.
- Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2012/13, S. 252
Diese – gemessen am Anspruch, Maßstäbe setzen zu wollen – bescheidene Platzierung hat mehrere Ursachen.
Zum einen betreiben andere Länder eine rationalere Förderpolitik und setzen bei den Erneuerbaren Energien stärker auf nicht volatile Quellen wie Wasserkraft und Biomasse, zum anderen sind Wind und Sonne in anderen Ländern reichlicher und stetiger vorhanden als bei uns. Ein gewichtiger Faktor ist jedoch auch der absolut betrachtet hohe Energieverbrauch in Deutschland.
In dem Maße, wie es gelingt, diesen zu senken, wird es deutlich einfacher (bzw. weniger unrealistisch) die im Rahmen der “Energiewende” postulierten Ziele zu erreichen – also in den nächsten Jahrzehnten zu Österreich und Portugal aufzuschließen.
Dieser entscheidende Hebel spielt in der politischen Diskussion eine untergeordnete Rolle.
2. Erneuerbare Energien dort nutzen, wo sie vergleichsweise reichlich vorhanden sind.
Sonnenintensität, Wind- und Biomassevorkommen sind nicht gleichmäßig über den Globus verteilt.
Die Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien sind von topografischen und klimatischen Bedingungen abhängig, die sich innerhalb Deutschlands deutlich und innerhalb Europas noch wesentlich deutlicher unterscheiden.
Diese Unterschiede dürfen wir nicht länger mit Subventionen nivellieren.
Im Gegenteil, diese Unterschiede müssen wir gezielt nutzen, denn sie bergen enorme Potentiale zur Effizienzsteigerung.
Aufgrund unserer extrem hohen Fördersätze sind in Deutschland mehr als 60% aller europäischen Photovoltaik-Kapazitäten installiert. In Griechenland und Portugal hingegen nur 0,9 und 0,4 %.
Bei der Windkraft besteht eine ähnliche Schieflage: auch hier ist Deutschland einsamer Spitzenreiter, was die installierte Erzeugungskapazität betrifft.
Trotzdem sind wir bei der tatsächlichen Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen nur im Mittelfeld. Offenkundig sind Wind und Sonne bei uns weniger ergiebig und zuverlässig als andernorts.
Anstatt unter enormem Zeitdruck und zu hohen wirtschaftlichen und ökologischen Kosten eine deutsche Insellösung zu forcieren, müssen wir die Förderung erneuerbarer Energien dringend europäisch harmonisieren.
Der europäische Binnenmarkt für Energie muss schnell Realität werden.
Damit nicht länger die Lobbystärke, sondern die Windstärke entscheidet, welche Technologie wo und wie zum Einsatz kommt.
3. Allen denkbaren und heute noch nicht denkbaren Formen der Nutzung regenerativer Energien die gleiche Chance im Wettbewerb einräumen.
Das Wesen der Innovation ist, dass sie im Vorhinein unbekannt ist.
Insofern kann niemand mit der universellen technischen Lösung aufwarten.
Aber es gibt bereits eine Vielzahl verschiedener Ansätze, die durch das gegenwärtige Subventionssystem benachteiligt und de facto ausgeschlossen werden.
Das ist politisch erklärlich (neue oder ganz unbekannte Ansätze haben keine Lobby), aber ökonomisch und ökologisch unverantwortlich.
Jenseits der hochsubventionierten Photovoltaik stehen mit Concentrated Solar Power, Aufwindkraftwerken oder solarthermischen Anlagen schon heute alternative Möglichkeiten zur Verfügung, die Sonneneinstrahlung energetisch zu nutzen.
Auch bei der energetischen Nutzung des Mediums Wasser gibt es eine Vielzahl technologischer Ansätze, die teils bereits angewendet werden, teils heute noch futuristisch anmuten, aber grundsätzlich ein sehr hohes Potential haben.
So lässt sich Windenergie abseits des Festlands nicht nur mittels der gegenwärtig geförderten Offshore-Anlagen über dem Wasser, sondern auch indirekt, unter dem Wasserspiegel, mittels Meeresströmungskraftwerken nutzen. Dieser Ansatz ist unter verschiedenen Aspekten überlegen. Die kontinuierliche Wellenbewegung des Meeres kann ebenso wie die gravitationsbedingte Strömung der Gezeiten zur Gewinnung von elektrischer Energie genutzt werden. Auch Temperaturunterschiede in verschiedenen Tiefen und Unterschiede im Salzgehalt des Wassers bieten sehr vielversprechende Nutzungsmöglichkeiten in Meereswärme- und Osmosekraftwerken.
Bei der energetischen Nutzung des Windaufkommens an Land gibt es ebenfalls Alternativen zur gegenwärtig geförderten und daher dominanten Stromerzeugung mit unmittelbarer, völlig bedarfsunabhängiger Einspeisung ins Stromnetz.
Eine prinzipielle Möglichkeit besteht darin, Strom prinzipiell an windhöffigen Standorten zu erzeugen und direkt per Elektrolyse in Wasserstoff und daraufhin Methan umzuwandeln, das sich bedarfsgerecht nutzen und gut transportieren lässt. Einen weiteren Ansatz stellen sogenannte Kleinwindkraftanlagen dar. Anstatt mit Festpreis und Abnahmegarantie ins öffentliche Netz einzuspeisen, könnten diese theoretisch schon bei sehr geringen Windstärken Strom für den Hausgebrauch liefern.
Vieles des hier Skizzierten klingt nach Zukunftsmusik.
Über die jeweiligen Erfolgsaussichten dieser technologischen Ansätze maßen wir uns keine Einschätzung an.Vermutlich wird keiner davon die allein selig machende Universallösung für unsere Energieversorgung darstellen.
Dieser kursorische Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit verdeutlicht jedoch den grundlegenden Fehler der gegenwärtigen Förderpolitik.
Metaphorisch ausgedrückt lassen wir uns mit Blaskapellen beschallen und verschließen unsere Ohren vor der Zukunftsmusik. Damit laufen wir große Gefahr, zu überhören, welche Melodien tatsächlich zum Welthit avancieren können.
All diesen und allen weiteren bislang unbekannten technologischen Lösungsansätzen verbaut die gegenwärtige Förderpolitik faktisch die Realisierungschancen.
Denn sie ist im Grundsatz nicht technologieoffen, sondern technologiespezifisch.
Nicht die Kreativität der Forscher und Tüftler, sondern die von Lobbies und Bürokraten ausgekungelten spezifischen Fördersätze bestimmen, welche Technologien eine Chance bekommen und welche vielleicht brillanten Ideen in Schubladen verbleiben.
Indem wir einseitig auf die etablierten Technologien setzen, verzerren wir die Forschungsanstrengungen und lähmen die technologische Entwicklung.
Wir müssen weg von der Mikrosteuerung und hin zur Technologieoffenheit.
4. staatliche Fördermittel auf Forschung und Vernetzung konzentrieren.
Wir müssen knappe staatliche Gelder so einsetzen, dass sie den Einfallsreichtum der Wissenschaftler und den wirtschaftlichen Spürsinn der Unternehmen anspornen und nutzen.
Anstatt einige ausgewählte Technologien und Produzenten über Subventionen zu alimentieren, müssen wir die Grundlagenforschung und die Netzwerkbildung zwischen Wissenschaft und Unternehmenswelt bspw. mit Pilotprojekten fördern.
Das technologieoffene Energieforschungsprogramm der Bundesregierung geht in die richtige Richtung.
Während wir gegenwärtig mit 18 Mrd. € pro Jahr das Bestehende alimentieren, ist uns die Suche nach tragfähigen neuen Ansätzen jedoch nur rund ein Zwanzigstel wert.
Dieses Missverhältnis müssen wir umkehren.
5. Kohärenz herstellen, sachfremde Aspekte ausblenden.
Flankierend zu diesen vier operativen Punkten bedarf es eines fünften, eher strategischen Punktes.
Dass die ökonomische und ökologische Vernunft bislang wenig gilt, liegt wesentlich daran, dass energiepolitische Entscheidungen von sachfremden Aspekten überlagert werden. Denn die Profiteure des gegenwärtigen Subventionssystems haben ein starkes Interesse daran, naturwissenschaftliche und ökonomische Sachverhalte zu verschleiern.
In Umkehrung von Einsteins Maxime
so einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig,
werden energiepolitische Fragen oftmals entweder unnötig komplex oder unzulässig vereinfacht diskutiert – je nachdem, wie es den Profiteuren des Subventionssystems gerade nützt.
Im politischen Diskurs werden mitunter tatsächliche Zusammenhänge übersehen und auf der anderen Seite Scheinzusammenhänge konstruiert. Unzulässige Vereinfachungen und unsachgemäße Vermischungen führen zu irrationalen Entscheidungen.
Unser fünfter Programmpunkt – der sich ebenfalls mit den Forderungen der Wirtschaftsweisen deckt – ist daher Katalysator für die Umsetzung der ersten vier Punkte:
Die Erneuerbare-Energien-Politik muss von sachfremden Aspekten befreit werden.
So wird die Diskussion um die Förderung Erneuerbarer Energien u.a. stark
- vom Klimaschutz,
- von der Frage des Atomausstiegs und
- von Fragen des regionalen Strukturausgleichs
geprägt.
Das ist irrational, denn
zwischen der Frage einer sinnvollen Ausgestaltung der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland und Europa und den komplexen und emotionsbeladenen Fragen nach
Existenz, Ausmaß, Wirkungen und Ursachen des (anthropogenen) Klimawandels und der adäquaten Strategie zum Umgang mit diesem
besteht kein Zusammenhang. Warum, lesen Sie hier.
Auch das noch stärker emotionsbeladene Thema
„Atomausstieg – ja/nein – wie schnell?“
ist für die Relevanz der Punkte 1 – 4 und die sinnvolle Nutzung erneuerbarer Energien nur bedingt maßgeblich. Dieses Thema erschöpft sich bei genauerer Betrachtung in der relativen Bewertung der Alternative
„neue Kohle- und Gaskraftwerke und mehr (Atom-)stromimporte – ja/nein – in welchem Umfang?“.
Schließlich werden mit dem Erneuerbare Energien Gesetz implizit auch regionalpolitische Ziele verfolgt.
So ist Bayern im Länderfinanzausgleich zwar der größte Nettozahler, erhält aber über die EEG-Umlage einen beträchtlichen Nettozufluss, den es massiv verteidigt. Analog bemühen sich ostdeutsche Länder gezielt darum, dieses Umverteilungssystem als Ergänzung zum Länderfinanzausgleich für sich auszuschöpfen. Ein impliziter Länder-Finanzausgleichsausgleich steht rationalen Entscheidungen im Wege.
Die deutsche Politik hat sich den Zielen „Klimaschutz“, „Energieversorgung ohne deutsche Kernkraftwerke“, „ähnliche Lebensverhältnisse in allen Regionen“ mehr oder weniger fest verschrieben. Zu diesen und anderen Zielen haben wir dezidierte Auffassungen – diese tun aber nichts zur Sache.
Wir plädieren lediglich dafür, ein wesentliches Prinzip der ökonomischen Theorie zu beherzigen:
Jedes wirtschaftspolitische Ziel muss mit einem eigenen wirtschaftspolitischen Instrument adressiert werden.
Eine Verletzung dieses Prinzips führt stets zur Ineffizienz – diese Erkenntnis geht auf den ersten Nobelpreisträger der Ökonomie zurück.
„Don’t try killing two birds with one stone“ – sagt man im Englischen.
„Wer auf zwei Vögel gleichzeitig schießt, verfehlt sie beide.“
Als Freunde der Natur wünschen wir selbstverständlich allen Vögeln ein langes und unbeschwertes Leben. Im übertragenen Sinne ist für uns jedoch klar: Die Energiepolitik braucht mehr Rationalität und Kohärenz.
Denn die aufgrund der Berücksichtigung von sachfremden Aspekten und Scheinzusammenhängen entstehenden Ineffizienzen werden immer augenscheinlicher: Irrationale und inkohärente Politikansätze gefährden die Grundlagen unseres Wohlstands und zerstören unsere Natur.
Rationale und kohärente Ansätze erfordern, dass
- Ziele stimmig begründet,
- Zielkonflikte offengelegt und minimiert,
- Zielhierarchien definiert und beachtet,
- Ziele und Instrumente einander klar zugeordnet und nicht vermischt
werden.
Die gegenwärtige „Energiewende“-Politik erfüllt diese Anforderungen nicht. Die Förderung erneuerbarer Energien erst recht nicht.
Mit den ersten vier Punkten sind Elemente eines grundlegendes Reformprogramms beschrieben, von dessen Umsetzung mittel- bis langfristig ein substantieller Beitrag der Erneuerbaren Energien zum Zieldreieck Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit erwartet werden kann.
Die Experten des Sachverständigenrates und der interdisziplinären Projektgruppe der Akademie der Technikwissenschaften haben dies – mit marginalen Nuancen – spezifiziert.
Die Wissenschaft hat der Politik eine wertvolle Blaupause geliefert.
Leider sind zielführende Vorschläge noch wenig gefragt.
Die Profiteure und Installateure des gegenwärtigen Subventionsregimes haben daran kein Interesse.
Für sie ist es rational, das bestehende System zu verteidigen, seinen vermeintlichen Erfolg herauszustellen und seine miserable Umweltbilanz zu beschönigen.
Auch für die Politik scheint es attraktiver, sich mit Ausbauzahlen zu schmücken und Gelder zu verteilen, als sich mit mühseligen Reformen zu befassen und sich mit starken Lobbies anzulegen.