In der Pressekonferenz zur “Eröffnungsbilanz” am 11. Januar 2022 hatte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz die Vorbehalte gegenüber einem weiteren Windkraftausbau auf eine Weise dargestellt, die kein tieferes Verständnis oder Interesse für die betroffenen Menschen erkennen ließ. Darauf, dass einige Leute sich beim “Spaziergang mit Waldi” gestört fühlen, könne keine Rücksicht genommen werden, hatte Herr Dr. Habeck die Medien wissen lassen. In Reaktion auf diese und weitere verstörende Aussagen, insbesondere zum Stellenwert von Natur‑, Arten- und Landschaftsschutz, erhielt er am 21. Januar 2022 Besuch. Eine Abordnung der schleswig-holsteinischen Vernunftbürgerschaft ersuchte den Minister an seinem Dienstsitz um ein Gespräch.
Der Landesverband Schleswig-Holstein berichtete:
PM_Mahnwache
Dr. Susanne Kirchhoff, Übermittlerin der Grußbotschaft aus Habecks früherer Wirkungsstätte, erläuterte im Interview mit Cicero, was sie und ihre Mitstreiter veranlasste, nach Berlin zu kommen. Der Erwerb des Magazins für politische Kultur ist allen Lesern unserer Seite wärmsten empfohlen – am besten im Abonnement. Wir danken den Herausgebern für die Genehmigung der auszugsweisen Wiedergabe:
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Frau Dr. Kirchhof, Sie treffen sich heute zu einer Mahnwache vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klima. Warum? | ||
Auslöser war die Pressekonferenz von Robert Habeck am 11. Januar, in der er den forcierten Ausbau der regenerativen Energien ankündigte. Er hat dort einige Aussagen gemacht, die mich erschüttert haben. | ||
Welche denn? | ||
In erster Linie war es das, was er über die Proteste von Anwohnern gesagt hat. Er äußerte, die Leute würden sagen: Das mag ja alles schön und gut sein, aber bitte nicht da und bitte nicht dort, denn „da gehe ich am Sonntag mit meinem Waldi spazieren“. Damit hat Herr Habeck die tatsächliche Betroffenheit der Anwohner von Windkraftanlagen bagatellisiert und lächerlich gemacht. | ||
Sie haben Herrn Habeck schon als Umweltminister in Schleswig-Holstein erlebt. Welche Erfahrungen haben Sie dort mit ihm gemacht? | ||
Mit ihm persönlich so gut wie keine. Er hat den direkten Dialog mit uns als Landesverband windkraftkritischer Bürgerinitiativen verweigert. Wir haben ihn darum gebeten, aber er hat uns nicht empfangen. Einmal habe ich ihn anlässlich einer Podiumsdiskussion auch persönlich getroffen und im Anschluss um ein Gespräch gebeten. Das hat er abgelehnt. Soviel zum miteinander Sprechen, dabei betont er ja immer, wie wichtig das sei. Tatsächlich weigert er sich, anzuerkennen, dass Anwohner von Windkraftanlagen von diesen massiv negativ betroffen sind. Das ist offensichtlich Teil seiner rhetorischen Strategie. | ||
Was meinen Sie damit? | ||
Er ist Philosoph und Buchautor und weiß, wie er Sprache einsetzen muss, um ein bestimmtes Meinungsklima zu erzeugen. Ich denke, er würde niemals in der Öffentlichkeit über den Lärm der Windkraftanlagen und die Betroffenheit der Menschen in ihrer Umgebung sprechen. Stattdessen reduziert er diese massive Betroffenheit auf einen Spaziergang mit Waldi. | ||
Welche Erfahrungen haben Sie denn in Schleswig-Holstein mit Windkraft gemacht? | ||
Bei uns stehen sehr große Windkraftanlagen mit riesigen Rotoren in wenigen hundert Metern Entfernung von Wohnhäusern. Nicht nur eine Windkraftanlage, sondern auch mal 10, 20 oder mehr. Und dass ein solcher Rotor, wenn er mal in Bewegung gesetzt wird, Schall und Luftdruckwellen erzeugt, ist ja logisch. Da braucht man nicht viel Phantasie. Die Menschen an den Windkraftanlagen leiden permanent darunter, können sich dem nicht entziehen und sind teilweise verzweifelt. Manche Menschen ziehen weg. Andere können aus finanziellen Gründen nicht wegziehen. | ||
Die Bundesregierung ist fest entschlossen, den Ausbau der Windkraft in Deutschland massiv voranzutreiben. Rechnen Sie mit mehr Widerstand und mehr Bürgerprotesten? | ||
Ja. In vielen Bundesländern ist es ja noch nicht so zugebaut wie bei uns. Anhand von Schleswig-Holstein kann man ja sehen, wo ganz Deutschland hin soll. Die Aussage, zwei Prozent der Landesfläche werden bebaut, 98 Prozent der Fläche bleiben frei, ist auch eine Täuschung. Denn Windkraftanlagen, die über 200 Meter hoch sind, haben riesige Rotoren und eine Raumwirkung, die weit über die eigentliche Vorrangfläche hinausgeht. Tatsächlich wird es kaum noch eine Ecke in Deutschland geben, die nicht von Windkraftanlagen betroffen ist. Ich denke schon, dass es verstärkt Widerstand geben wird, der auch auf juristischer Ebene stattfinden wird. Die Landesregierungen von Bayern und Sachsen haben, soweit ich weiß, auch Gegenwehr angekündigt. | ||
(…) | ||
(…) | ||
Warum sind Sie eigentlich gegen Windkraft? | ||
Windkraftanlagen können nur Strom erzeugen, wenn der Wind weht. Windkraftanlagen können kein funktionierendes Stromerzeugungssystem sicherstellen, wie wir es brauchen. Es macht keinen Sinn, noch mehr Windkraftanlagen zu bauen, solange die Netze nicht ausgebaut sind, man den Strom abregeln muss und die Betreiber dafür Entschädigung bekommen. Unser Stromnetz ist auf eine konstante Einspeisung von Strom angewiesen. Windkraftanlagen können das nicht. Wir können auch nicht vorhersagen, wann der Wind weht. Wir haben auch immer noch keine Speicher. Deshalb brauchen wir mit den zahlreichen neuen Gaskraftwerken, die jetzt gebaut werden sollen, eine zweite Energieinfrastruktur hinter den Windkraftanlagen. Der zweifelhafte Nutzen von unzuverlässigen Windkraftanlagen steht in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den der Zubau von sehr vielen tausend Windkraftanlagen an Natur, Umwelt und den Menschen anrichtet. | ||
Was wäre die Alternative? Strom aus Kohlekraftwerken kann es angesichts des CO2-Problems ja nicht sein. | ||
Mein Vorschlag für eine klügere und sinnvollere Energiepolitik wäre, zunächst – als Erste-Hilfe-Maßnahme – die letzten Kernkraftwerke am Netz zu lassen. Danach würde ich in Betracht ziehen, dass es mittlerweile neue Technologien bei der Kernkraft gibt, die in der Lage sind, den strahlenden Atommüll der alten Anlagen noch weiter energetisch zu nutzen. Das wäre aus meiner Sicht ein lohnender Ansatz mit einer gewissen notwendigen Nachhaltigkeit. Ein kluger Mix verschiedener effizienter Technologien würde helfen, die oben erwähnten Schäden so gering wie möglich zu halten. | ||
Das Interview führte Birgit Freudenberg |
Tags zuvor hatte sich auch das RBB-Inforadio mit unfreiwilligen Teilnehmern des “Feldversuchs” unterhalten:
VERNUNFTKRAFT. dankt allen, die sich bemerkbar gemacht haben und dies noch tun werden. Und allen, die zuhören und zum Reden bereit sind. Die Themen liegen auf dem Tisch.