Das Handelsblatt vom 28. März 2013 enthält auf den Seiten 10 und 11 ein Interview mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU).
Unter dem Titel “die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht” spricht Herr Altmaier erstaunlich offen über die schwierige Suche nach Lösungen für die Probleme im Zusammenhang mit der EEG-Förderung, seinen Handlungsspielraum und den Kampf gegen mächtige Lobbygruppen.
Das Interview führten Thomas Sigmund und Klaus Stratmann.
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Die wichtigsten Aussagen des Bundesumweltministers finden Sie hier in Auszügen:
Handelsblatt: Herr Altmaier, die Strompreisbremse, Ihre Wunderwaffe gegen die Explosion der Stromkosten, entpuppt sich als Rohrkrepierer. Sind Sie damit gescheitert?
BM Altmaier: Ich widerspreche entschieden. Zum ersten Mal wurde die Kostenfrage für die Energiewende klar und eindeutig politisch gestellt. Vor dieser Frage wird man sich künftig nicht mehr drücken können.
Handelsblatt: Ende Januar sind Sie mit Ihren Vorschlägen ohne Absprachen vorgeprescht. War das nicht ein Schnellschuss?
BM Altmaier: Es war von Anfang an klar, dass es schwer werden würde (…) Andererseits bin ich überzeugt, dass es klug wäre, die Energiewende im Wahlkampf nicht zu zerreden und deshalb die Frage der Kostenbelastung vorzuziehen. Danach kann es dann um eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gehen.
Handelsblatt: Die Länder torpedieren Ihren Plan. Haben Sie alles richtig gemacht?
BM Altmaier: Ich bedauere nicht, dass ich das Kostenthema so prominent gesetzt habe. Im Gegenteil, das war überfällig (…).
Handelsblatt: Sie sind jetzt seit zehn Monaten im Amt und haben viel Wirbel entfacht. Fallen Ihnen drei Projekte ein, die Ihnen seit Ihrem Amtsantritt gelungen sind?
BM Altmaier: Allerdings. Es ist uns im letzten Sommer gelungen, die Förderung der Photovoltaik neu zu regeln. Damit sind die Vergütungssätze noch einmal deutlich gesunken, davon werden die Stromverbraucher in den kommenden Jahren erheblich profitieren. Positiv ist außerdem, dass die Energiewende zu einem der zentralen Themen der politischen Debatte geworden ist. (…).
Handelsblatt: Ihre Erfolge werden offenbar nicht von allen erkannt. Wie sonst ist es zu erklären, dass Kanzlerin Merkel nun Kanzleramtsminister Pofalla damit betraut hat, die weiteren Verhandlungen über die Reste der Strompreisbremse zu führen?
BM Altmaier: Erstens verhandeln wir nicht über die Reste der Strompreisbremse, sondern über den kompletten Ansatz, also über die Ausnahmen für die Industrie, über den Ausbau der Erneuerbaren und über Entlastungen für den Verbraucher bei der Stromsteuer. Da diese Ansätze mehrere Ressorts betreffen, ist es zweitens nur folgerichtig, dass der Kanzleramtsminister die weiteren Verhandlungen führt (…).
(…)
BM Altmaier: Ich habe mich aus der Steuerdebatte herausgehalten. Das ist nicht die Zuständigkeit des Umweltministers. Es wäre aus meiner Sicht allerdings auf jeden Fall falsch, das Thema der Kostenexplosion bei den Strompreisen allein über eine Senkung der Stromsteuer behandeln zu wollen. Wenn man hier Entlastung schafft, verdeckt man die wahren Probleme, die ich in einem völlig ungesteuerten Zubau bei erneuerbaren Energien sehe. Wir müssen an die Ursachen der Kostensteigerungen heran. Ich halte die Grenze der Belastbarkeit für erreicht. Wahlkampf hin oder her – die Ministerpräsidenten machen es sich zu einfach, wenn sie versuchen, nur die Stromsteuer ins Gespräch zu bringen. Damit wird kein strukturelles Problem gelöst.
(…)
Handelsblatt: Wird Deutschland in 20 Jahren trotz Energiewende noch das Industrieland sein, das wir heute kennen?
BM Altmaier: Für mich ist die Energiewende nur dann ein Erfolg, wenn Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit uneingeschränkt erhält. Denn nur dann wird die Energiewende ein Modell für Entwicklungs- und Schwellenländer. Es ist absolut notwendig, dass wir die Kostenentwicklung im Blick behalten.
Handelsblatt: Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeitversucht, eine grundlegende EEG-Reform auf den Weg zu bringen. Doch in dieser Legislaturperiode dürfte daraus nichts mehr werden. Ist es nicht enttäuschend, wie gering der Handlungsspielraum eines Bundesumweltministers ist?
BM Altmaier: Nein. Ich habe im Herbst den EEG-Dialog initiiert. Im Rahmen des EEG-Dialogs haben wir in insgesamt sechs Veranstaltungen über die großen Linien für die Zukunft gesprochen. Natürlich ist jede Debatte über künftige Strukturen beeinflusst durch konkrete Interessen in der Gegenwart.
Handelsblatt: Sie denken vielleicht an die starken Lobbygruppen der Energiebranche?
BM Altmaier: Ich habe schon vor Wochen gesagt, dass eine Reform der Förderung der erneuerbaren Energien mindestens so anspruchsvoll ist wie eine Gesundheitsreform, weil es einfach sehr viele Beteiligte gibt. Heute gehe ich einen Schritt weiter und sage, es gibt keinen anderen Bereich, in dem so viele unterschiedliche politische und wirtschaftliche Interessen betroffen sind.
(…)
Die Hervorhebungen haben wir vorgenommen.
Denn die Anerkenntnis der Tatsache, dass der völlig ungesteuerte [treffender wäre: ungebremste] Zubau an Erzeugungskapazität für nicht grundlastfähigen Strom die Ursache der Kostensteigerungen und letztlich das Hauptproblem bei der sogenannten Energiewende darstellt, ist in dieser Deutlichkeit neu.
“Hier wird zu Lasten des Gemeinwohls das Motto je mehr und je schneller, desto besser verfolgt”
befinden die Wirtschaftsweisen dazu.
Herr Altmaier hat dies offenbar im Visier.
Was der Bundesumweltminister unseres Erachtens leider noch nicht ausreichend im Visier hat, ist die Tatsache, dass dieser Subventionswettlauf immer mehr zu Lasten der Natur geht.
Naturschutz spielt im Bundesumweltministerium offenbar eine untergeordnete Rolle, wie unlängst im SPIEGEL zu lesen war.
Zum Hintergrund der Bund-Länder-Diskussion:
Die von den Bundesministern Altmaier und Dr. Rösler zum Stopp des stetigen Preisanstiegs vorgeschlagene “Strompreisbremse” sah zunächst ein Einfrieren des Subventionsvolumens vor.
Dies hätte für neue Erzeugungsanlagen eine Absenkung der festen Vergütungssätze bedeutet. Aus unserer Sicht wäre das ein richtiger Schritt gewesen. Die Lobbyverbände der Erneuerbaren Energien sahen dies anders.
Die Bundesländer haben diesen Schritt nun vorerst verhindert. Insbesondere der bayerische Ministerpräsident sprach sich stattdessen für eine Senkung der Stromsteuer aus. Aus unserer Sicht besteht hierbei die große Gefahr, dass die ökologischen und ökonomischen Fehlanreize zementiert werden.
Die Haltung von Herrn Seehofer und seinen Kollegen lässt sich leichter verstehen, wenn man sich die Wirkungen des EEG als Länderfinanzausgleichsausgleich vor Augen führt. Dieses implizite Transfersystem steht rationalen Entscheidungen im Wege.
Siehe dazu auch Punkt 5 unseres Programms.