Mit der Zeile
in einem unbekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit…
beginnt ein fröhliches Liedchen, das Generationen von Kindern mit einem liebenswerten Insekt vertraut machte. Die Biene, die der Sänger Karel Gott seinerzeit (1977) meinte, wurde dadurch wohlbekannt.
Wohlbekannt ist auch, dass Majas real-existierende Artgenossen in den letzten Jahren zunehmenden Bedrohungen ausgesetzt sind:
Das Schicksal der Bienen ist in aller Munde.
Innerhalb des allgemeinen Themenkomplexes Insektensterben und Schwund der Artenvielfalt genießen die Existenznöte der Bienen besondere Aufmerksamkeit. Dass die Brüder und Schwestern von Maja und Willi beliebter sind als manch andere Wirbellose und insofern mehr Anteilnahme erfahren, ist nicht nur aus ästhetischen und psychologischen Gründen nachvollziehbar: Als Bestäuber leisten die als fleißig geltenden Summton-Emittenten schließlich einen besonders großen Beitrag zu unserem Ökosystem. Aus sehr guten Gründen, die beispielsweise auf der Webseite „bee careful“ nachzulesen sind, setzen sich viele Initiativen und engagierte Personen für den Schutz der fleißigen, meist friedfertigen Nektarsammler und Bestäuber ein. Grundsätzlich ist dies in unser aller Interesse.
In unser aller und der Bienen Interesse ist allerdings auch, dass alle Ursachen für Bienensterben und Insektenschwund erkannt und adressiert werden. Dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gebührt das Verdienst, einen wichtigen Beitrag in diesem Sinne geleistet zu haben:
Wissenschaftler des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik haben die Auswirkungen des Windenergieausbaus auf Insektenpopulationen modelliert. Demzufolge sterben pro Tag 5,3 Milliarden Insekten an deutschen Windkraftanlagen. Während der warmen Jahreszeit entstünden so Verluste von mindestens 1200 Tonnen, was etwa einer Billion Insekten entspricht. In der WELT vom 18. März 2019 wurde die Studie besprochen:
Auch der NDR griff das Thema auf:
Die Studie selbst finden Sie hier:
Wie darin klar zum Ausdruck kommt, handelt es sich bei den Angaben nicht um Messungen, sondern um Modellrechnungen. Belastbare Zahlen sind empirisch kaum zu ermitteln, da sie sich – anders als etwa bei Vögeln und Fledermäusen – nicht seriös über Totfunde hochrechnen lassen. Allerdings wurden diese Modellrechnungen nach allen Regeln der Wissenschaft angestellt und können eine hohe Plausibilität für sich in Anspruch nehmen. Den methodischen Ansatz und die wesentlichen Ergebnisse haben die Autoren in einem Beitrag für die “energiewirtschaftlichen tagesfragen” dargestellt:
Die zentralen Aussagen lauten, sinngemäß wiedergegeben:
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Um eine Einschätzung über die in “5,3 Mrd. Tötungen pro Tag” enthaltene Tragik zu erlangen, ist diese Zahl seriöserweise ins Verhältnis zur Gesamtpopulation an Insekten und zu anderen Todesursachen zu setzen. Unsere eigenen Überschlagsrechnungen legen nahe, dass die wirbellosen Windkraft-Opfer größenordnungsmäßig unter 1 Prozent der Fluginsekten Deutschlands ausmachen, die Auswirkungen also nicht unbedingt verheerend, aber auch nicht vernachlässigbar scheinen.
Außerdem gibt es neben der direkten Kollision sehr wahrscheinlich noch einen weiteren Killermechanismus: Die abrupten Druckschwankungen, die weit über die von den Rotoren überstrichenen Flächen hinausreichen. Die Rotorspitzen rasen mit 400 km/h und mehr. Bei Fledermäusen lassen diese Barotraumen die Lungen platzen, obwohl sie meist in Bodennähe jagen. Lungen haben Insekten zwar nicht, stattdessen ein Tracheensystem, dessen feinste Verästelungen den ganzen Körper durchziehen – ein perfekter Ansatz für tödliche Druckschwankungen.
Auf die im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehenden und auch diesem Artikel als Aufmerksamkeitsgenerator fleißig dienenden Bienen trifft der der DLR-Studie zugrundeliegende Zusammenhang übrigens nicht zu:
Dass Maja & Co. in den relevanten Höhen fliegen und zu Schlagopfern werden, ist weniger zu befürchten. Dennoch ist auch für Bienen von einer Gefährdung durch die Windenergieanlagen auszugehen. Anekdotische Evidenz liefern die Berichte von Imkern, wonach Bienenschwärme nach Errichtung entsprechender Turbinen in der weiteren Umgebung des Bienenstocks orientierungslos und in ihrer Winterruhe gestört werden – mit der Folge des Verendens. Auf einen möglichen Wirkmechanismus spielen Titel und ‑bild dieses Beitrags an: der von den Anlagen erzeugte Infraschall könnte die Kommunikation der Bienen stören, indem er den auf gleichen Frequenzen stattfindenden Schwänzeltanz überlagert. So würden die Bienen durch falsche Signale ins Verderben gelockt.
Aus ihren eher für Schmetterlinge und Marienkäfer gültigen Ergebnissen leiten die Autoren der DLR-Studie diese Werturteile und Schlussfolgerungen ab:
Abschließend muss gesagt werden, dass die hier theoretisch berechneten Verluste dringend empirisch verifiziert und umfassende Maßnahmen zum Monitoring und zur Vermeidung von Insektenschlag an Windkraftanlagen getroffen werden müssen, es sei denn, man wolle Verluste dieser Größenordnung weiterhin ungeprüft und unbesehen in Kauf nehmen.
Der anhaltende Verzicht auf einen Verträglichkeitsnachweis von Windkraftanlagen gegenüber im Luftraum migrierender Fluginsekten nach mehr als 30 Jahren Ausbau der Windenergie ist sicherlich keine gesellschaftlich akzeptable Option und steht im Konflikt mit dem in Artikel 20a des Grundgesetzes verankerten Vorsorgeprinzip.
Obwohl der Rückgang der Fluginsekten seit den 1990er Jahren sicherlich viele Gründe hat, ist ein Beitrag zur Minderung der Verluste auch vonseiten der Windenergienutzung wünschenswert, insbesondere da hier ein hohes Vermeidungspotential von bis zu 3.600 Tonnen pro Jahr besteht. Den deutschen Windpark dauerhaft abzuschalten oder gar rückzubauen ist keine befriedigende Option.
Den ersten beiden Sätzen ist uneingeschränkt zuzustimmen. Dass die Windenergienutzung nur eine “Teilschuld” am Insektensterben hat und andere Faktoren wie Straßenverkehr, intensive Landwirtschaft, Forstmonokulturen etc. womöglich gar relevanter sind, scheint ebenfalls plausibel. Eindeutig zu widersprechen ist allerdings dem letzten Satz:
Wenn die Windenergie eine wichtige Form der Energieerzeugung und ihr Ausbau ein wirksames Instrument des Klimaschutzes wäre, so, wie es der Bundesverband Windenergie gebetsmühlenartig vorträgt, dann wären der millionentonnenweise Insekten- und der noch unbezifferte Bienentod, der durch die Anlagen verursacht wird, in einer Gesamtabwägung gegenüber anderen Gefährdungs- und Todesquellen wohl ein vergleichsweise weniger relevanter Faktor.
Vor dem Hintergrund,
dass die aktuell 30.000 Windkraftanlagen im Gegensatz zu ihren Opfern jedoch keine fleißigen Bienen, sondern vielmehr notorische Faulpelze sind; sprich: dass die Windenergieanlagen und insbesondere ihr weiterer Ausbau energiewirtschaftlich nutzlos und ihre Klimaschutzwirkung nicht gegeben ist,
ist eine solche Relativierung jedoch entbehrlich.
Vielmehr lässt sich ganz pauschal und plakativ festhalten:
Jedes durch Windenergieanlagen getötete Tier ist eines zu viel.
Alle Opfer sind umsonst.
Insbesondere den selbst(v)erklärten Fürsprechern von Vögeln, Bienen und Schmetterlingen
Kathrin Göring-Eckhard im Nov. 2017
ist das Ablegen von Scheuklappen dringend empfohlen.
In Majas und Willies Worten:
Summ, summ, summ – Euer Wahn ist dumm.